„Zu viele Schiffe fahren noch mit zu viel Emissionen entlang der norwegischen Küste!“

Crucero spricht mit Hedda Felin, CEO der Postschiff-Sparte der Hurtigruten Group, über die vergangenen zwei Pandemie-Jahre, das bevorstehende Jubiläumsjahr und die Null-Emissionspläne des Unternehmens.

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2023 feiert Hurtigruten – Das Original das 130. Jubiläum. Nach den turbulenten Jahren der Pandemie und dem Eintritt eines neuen Anbieters in den Liniendienst entlang der norwegischen Küste sind die Hurtigruten-Postschiffe in diesem Sommer wieder zu 100 Prozent ausgelastet. Im Jubiläumsjahr werden zwei besondere Routen neu aufgelegt: die Hurtigruten Spitzbergen-Linie und die Nordkap-Linie.

CRUCERO: Mitten in der Corona-Pandemie ist auf dem Küstenlinien-Dienst ein Mitbewerber ins Spiel gekommen. Hurtigruten setzt nun sieben Schiffe im Liniendienst ein statt zuvor elf, Havila Kystruten aktuell zwei, später sollen es vier sein. In den vergangenen Monaten fuhren diese neuen Schiffe wegen Versicherungsfragen nicht, zuvor gab es Verzögerungen durch die Pandemie. Wie schätzen Sie die aktuelle Situation ein?

Hedda Felin: Hurtigruten – Das Original ist bereits seit vielen Jahren auf dieser Route unterwegs. Wir waren und sind es jedoch auch gewohnt, dass wir auf den Strecken an der norwegischen Küste Mitbewerber haben. Es ist also keine komplett neue Situation für uns.
Wir haben eine lange Tradition, wir haben immer noch die meisten Schiffe im Dienst, eine lange Beziehung zu den Hafenstädten und zur norwegischen Regierung und nicht zuletzt zu unseren Gästen. Wir sind wegen des neuen Anbieters jedenfalls nicht besorgt.
Wir sehen eine große Nachfrage nach Reisen entlang der norwegischen Küste. Und wir sind mit unseren Schiffen weiterhin täglich im Dienst. In der Tat hat Havila einige Probleme. Das ist sehr unglücklich für Havila – aber auch für uns. Wir kommen jeden Tag in die Häfen, nehmen Gäste und Fracht auf. In der Zeit, in der die Havila-Schiffe nicht täglich fahren konnten, mussten wir die für Havila geplante Fracht auch übernehmen. Daher freuen wir uns, dass sie nun fahren – wenngleich mit nur zwei Schiffen. Somit hoffen wir, dass es mit dem dritten Schiff, welches bereits fahren sollte, nun besser klappt. Wir hätten ihnen einen besseren Start gewünscht.

CRUCERO: Haben die Verzögerungen und deren Folgen Auswirkungen auf Ihren Fahrplan?

Hedda Felin: Unser Fahrplan ist nicht davon betroffen. Wir fahren nach Plan, und unsere Gäste sind sehr loyal. Wir haben volle Schiffe, und wir helfen, soweit wir können.
Hurtigruten ist Hurtigruten – wir machen so weiter, wie wir es immer getan haben, und sehen uns weiterhin als Hauptanbieter von Reisen entlang der norwegischen Küste.

CRUCERO: Ist der Mitbewerber der Grund für die neu aufgelegten Reisen?

Hedda Felin: Nein, das ist nicht der Grund. Alle unsere Büros – sei es in Deutschland, den USA, in Asien, Australien, Frankreich oder dem Vereinigten Königreich – verzeichnen eine wachsende Nachfrage nach Reisen in Norwegen. Norwegen ist wirklich gefragt. Und für viele Reisende ist es attraktiv, wie die Einheimischen zu reisen.
Wir legen mit unseren Schiffen seit fast 130 Jahren täglich in den norwegischen Gemeinden an, wir sind Teil dieser Gemeinden. An Bord unserer Schiffe und in den Häfen genießen Gäste lokale Speisen aus lokalem Anbau – das ist nachhaltig und liegt sehr im Trend.
Nun steht im nächsten Jahr unser 130. Jubiläum an. Das ist eine hervorragende Gelegenheit, uns weiterzuentwickeln. Wir haben mit „Hurtigruten - Das Original“ ein starkes Produkt. Und wir müssen innovativ bleiben.
Für mich sind die neuen Routen die perfekte Fortsetzung unserer Tradition und der DNA von Hurtigruten. Mit den neuen Routen gehen wir außerdem einen Schritt weiter in die Zukunft.
Die Spitzbergen-Linie ist eigentlich eine alte Route, die wir jetzt wiederbeleben. Es gab außerdem großes Interesse daran, dass wir Reisen von Oslo aus starten. Deshalb haben wir nun eine zweite neue Route aufgelegt, die vom südlichsten Punkt Norwegens zum nördlichsten Punkt des Landes führt. Die Nordkap-Linie ist einmalig und führt von Oslo nach Honningsvåg.

Alle unsere Büros verzeichnen eine wachsende Nachfrage nach Reisen in Norwegen. Norwegen ist wirklich gefragt.

CRUCERO: Lassen Sie uns nochmal einen Moment auf 2020 blicken. Der Corona-Ausbruch an Bord der Roald Amundsen hat damals für viel Ärger, auch mit der norwegischen Regierung gesorgt. Ist das jetzt alles ausgestanden und vergessen?

Hedda Felin: Das war eine wirklich unglückliche Situation im Jahr 2020 und es war ein Schock für die Hurtigruten Group. Covid war neu und traf die gesamte Reisebranche. Wir haben daraus aber eine Menge gelernt.
Im vergangenen Sommer war es sehr wichtig für uns, das Gelernte in bestmögliche Schutzmaßnahmen umzusetzen. „Wie schaffen wir es, unsere Sicherheitsprotokolle gewissenhaft und fokussiert umzusetzen?“: Das war eines meiner Hauptziele. Und wir hatten eine gute Saison, mit vielleicht manchmal zu strikten Regeln, aber das war wichtig für uns, um 2020 hinter uns lassen zu können.
Wir wollten schließlich zeigen, dass wir daraus gelernt haben und unsere Gäste, die Medien, die Regierung und die Norweger sehen, dass Hurtigruten sichere Reisen anbietet.
Das Feedback unserer Gäste im letzten Jahr war entsprechend gut: über 9 auf einer Skala von 10, bezogen auf unsere Hygienestandards.
Dieses Jahr konnten wir das alles hinter uns lassen. Wir haben jetzt immer einen ausgebildeten Krankenpfleger an Bord der Hurtigruten Postschiffe, führen unsere strengen Protokolle fort und sind in diesem Jahr dennoch in einer anderen Situation. Unsere Schiffe sind in diesem Sommer zu 100 % ausgebucht und niemand sorgt sich mehr. Dafür sind wir sehr dankbar.

CRUCERO: Wird sich die norwegische Regierung auch am Jubiläum beteiligen?

Hedda Felin: Wir sind ein ikonisches Unternehmen für Norwegen und wir werden im nächsten Jahr im ganzen Land feiern, insbesondere dort, wo Hurtigruten anlegt. Diese Gemeinden sind wichtig für uns und Hurtigruten ist vor Ort in gleichem Maße bedeutsam. Wir laden jeden entlang der Küste ein, mit uns und unseren Gästen zu feiern.

CRUCERO: Sie stellen die Postschiffflotte gerade auf neue Treibstoffe um, setzen dabei aber eher auf BioFuel in Verbindung mit Batterien als auf LNG. Was ist der Grund für diese Entscheidung?

Hedda Felin: Wir mussten entscheiden, was das Beste für die Schiffe ist, was wir umsetzen können und wie und wo wir tanken können. Darüber hinaus haben wir die technischen Risiken von LNG als zu hoch für uns bewertet. Wir haben zwar darüber nachgedacht, aber uns für eine Kombination aus Bio-Kraftstoff und Batterien entschieden.
LNG-Tanks hätten auch zu viel Platz an Bord benötigt. Dadurch hätte sich das Frachtvolumen verringert, und das ist für Gäste, die zum Beispiel ihr Auto transportieren möchten, ein entscheidendes Kriterium.
Es ist ein gigantisches Projekt, unsere Flotte umzurüsten. Wir haben gerade die Richard With umgebaut. Die „Hülle” des Schiffes ist geblieben, ansonsten haben wir die gesamte Maschine und das Steuersystem ausgebaut. Jetzt hat sie eine neue Maschine, Batterie-Packs, ein neues Steuersystem, optimierte Propeller und der Bug wurde neu geformt.

CRUCERO: Das klingt so, als ob Hurtigruten in der Lage sein wird, 2026 in den Geiranger Fjord mit null Emissionen einzufahren? In vier Jahren treten bekanntlich die Null-Emission-Regeln im Welterbe-Fjord in Kraft.

Hedda Felin: Die Entscheidungsprozesse, wie wir dann in den Geirangerfjord einfahren werden, laufen gerade. Möglicherweise werden wir mit kleineren E-Booten einfahren, falls die Kapazität des Fjords erreicht ist. Wir müssen das noch bewerten. Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch nichts entschieden.
Die Regeln sind streng, und wir finden es gut, dass die Regeln streng sind. Zu viele Schiffe fahren noch mit zu viel Emissionen entlang der norwegischen Küste. Verbindliche Anforderungen sind aus unserer Sicht die einzige Möglichkeit, neue Lösungen zu finden.

CRUCERO: Sie arbeiten schon an neuen Lösungen, 2030 solle das erste emissionsfreie Postschiff fahren.

Wir wollen bei der Entwicklung eines Null-Emissions-Schiffs führend sein.

Hedda Felin: Für die nächste Generation von Hurtigruten Postschiffen arbeiten wir mit der Forschungsorganisation SINTEF zusammen und erwarten in Kürze eine erste Machbarkeitsstudie für ein ideales Null-Emissions-Schiff, basierend auf aktuell zur Verfügung stehender Technik. Das ist eine sehr interessante Entwicklung und wir als „Hurtigruten – Das Original“ wollen hier führend sein.

CRUCERO: Das Projekt ist für 2030 geplant, richtig?

Hedda Felin: Das stimmt.

CRUCERO: Und ist in der Zwischenzeit ein Neubau geplant?

Hedda Felin: Wir investieren gerade in die Umrüstung der aktuellen Flotte. Ein Schiff wie die Richard With ist ja nun praktisch ein neues Schiff. Wir haben neben der Maschine auch alle Kabinen und Restaurants überarbeitet. Deswegen werden wir das Schiff nun auch noch eine ganze Weile behalten.
Aber wir müssen auch über neue Schiffe nachdenken. Deshalb haben wir jetzt schon damit begonnen, die nächste Generation unserer Schiffe zu planen. Und wir wollen dann auch bereit sein, die Neubauten als Zero-Emission-Schiffe umzusetzen.

CRUCERO: Wie relevant ist ein umweltfreundlicher Antrieb heute schon für Buchungen von Gästen?

Hedda Felin: Gäste machen sich mehr und mehr Gedanken über Nachhaltigkeit und ihren eigenen ökologischen Fußabdruck als früher. Es ist wichtig für jedes touristische Unternehmen, diese Herausforderung in Zukunft zu meistern. Ich bin mir sicher, dass unsere Gäste wegen unseres Nachhaltigkeitsansatzes mit uns reisen.
Unsere Gäste sind auch neugierig und wollen wissen, wie unsere Hybrid-Schiffe funktionieren, wie effizient sie sind. Und sie spüren auch, dass sie Teil von etwas Größerem sind und es hier nicht nur um das Reisen zum eigenen Vergnügen geht, sondern um mehr.

CRUCERO: Fragen Gäste aktiv an Bord nach all diesen Themen?

Hedda Felin: Absolut. Wir möchten unsere Gäste auch gerne im positiven Sinne weiterbilden. Weiterbildung ist ein Teil unserer Werte. Auf unseren Exkursionen mit unseren Experten ist Nachhaltigkeit und Technologie ein häufig diskutierter Aspekt.
Unsere Gäste fragen da sehr engagiert nach und wir sind dafür sehr dankbar. Auf der anderen Seite schätzen unsere Gäste unseren lokalen Ansatz und die damit verbundene soziale Verantwortung.

CRUCERO: Das bringt uns zurück zu den Jubiläumsplänen und den Feierlichkeiten im ganzen Land. Wie sieht das im Detail aus und wann geht es los?

Wir sind ein ikonisches Unternehmen für Norwegen und wir werden im nächsten Jahr im ganzen Land feiern.

Hedda Felin: Die Planungen sind schon weit fortgeschritten. Der Start der neuen Routen ist ein Teil der Feierlichkeiten im Jahr 2023. Diese Reisen sind auch schon
gut nachgefragt.
Außerdem gibt es Events auf allen Schiffen entlang der norwegischen Küste. Wir werden einige Schlüsseldestinationen entlang unserer Routen auswählen und auch hier mit den lokalen Gemeinden feiern.
An Bord gibt es Jubiläums-Menüs mit historischen und modernen Gerichten. Im Hurtigruten Museum in Stokmarknes wird es außerdem eine besondere Feier geben, wie auch in allen Häfen auf unseren Routen.
Das wird für unsere Gäste ein sehr besonderes Jahr. Wer Hurtigruten als
„once-in-a-lifetime“-Erfahrung erleben will, der sollte es nächstes Jahr angehen. Nur dann gibt es all diese vielen Extras.

CRUCERO: Sie haben vorhin schon erklärt, dass es die Spitzbergen-Linie früher schon mal gab. Warum gab es in 130 Jahren Hurtigruten-Geschichte noch keine direkte Route von Oslo nach Honningsvåg?

Hedda Felin: Das ist eine gute Frage. Der Ursprung von Hurtigruten war, dass ein Zugang zu den nördlichsten Gemeinden von Norwegen geschaffen werden sollte, um diese mit Gütern und Medizin zu versorgen und Passagiere zu befördern. Diese Regionen waren insbesondere im Winter auf dem Landweg kaum zu erreichen.
Ein Zentrum für Handel, Güter- und Transportverkehr etablierte sich in der Folge in Bergen. Daher gab es lange einen Fokus auf die Strecke von der Westseite Norwegens bis in den Norden nach Kirkenes. Aus einem touristischen Blickwinkel betrachtet, ist der Süden natürlich auch wunderschön. Und wir sehen außerdem eine Nachfrage, Güter von Oslo nach Kristiansand zu transportieren.
Ich selbst bin gerade auf einer kleinen Insel im Süden von Norwegen und es ist einfach zauberhaft hier. Das wollen wir unseren Gästen auch zeigen können.
Hinzu kommt: Wenn Gäste von Übersee nach Norwegen kommen, wollen sie natürlich auch die Hauptstadt sehen. Und in Oslo liegen wir direkt gegenüber der Oper. So können Reisende von der anderen Seite der Erde zunächst Kultur und urbanes Leben in der Hauptstadt genießen und dann mit uns vom Süden des Landes bis in den Norden fahren.

CRUCERO: Wie sieht es mit den Kosten für Reisen mit Hurtigruten aus – wann wird die Inflation auch auf die Reisepreise Auswirkungen haben?

Hedda Felin: Wir versuchen, den Entwicklungen in der Gesellschaft zu folgen und die Attraktivität unseres Angebots auf dem richtigen Level zu halten. Unabhängig davon steigen natürlich auch für uns die Kosten für Treibstoff und Güter.
Wir sehen aber auch, dass Gäste Preisanpassungen erwarten. Weil eben alles andere auch teurer wird.
Auf den beiden neuen Routen steigen wir bereits mit einem höheren Preislevel ein, das liegt aber auch daran, dass diese Reisen High-End-Erfahrungen sind. Die Erwartungen der Gäste sind entsprechend hoch. Fine-Dining, Afternoon-Tea und Exkursionen sind hier zum Teil bereits inkludiert. Mit uns zu reisen, soll sich auch in Zukunft lohnen und für unsere Gäste eine wertvolle und unvergessliche Erfahrung sein, sodass sie immer gerne wieder an Bord kommen.

Das Gespräch führte Tobias Lange-Rüb

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