Netflix-Doku „Trainwreck: Poop Cruise“ erinnert an Kreuzfahrt-Fiasko – heute (fast) undenkbar

Die Doku „Trainwreck: Poop Cruise“ zeigt, wie aus einem stinkenden Desaster eine internationale Charta wurde: die Cruise Passenger Bill of Rights.

Seit dem 24. Juni 2025 zeigt Net­flix die Doku­men­ta­ti­on „Train­w­reck: Poop Crui­se“. Sie rekon­stru­iert eines der bizarrs­ten Desas­ter der Kreuz­fahrt­ge­schich­te: die Hava­rie der Car­ni­val Tri­umph.

Febru­ar 2013, Golf von Mexi­ko: An Bord der Car­ni­val Tri­umph kommt es infol­ge eines Maschi­nen­raum­brands zu einem mas­si­ven Strom­aus­fall. Die­ser Strom­aus­fall legt das Schiff lahm. Über 4.000 Pas­sa­gie­re und Crew­mit­glie­der sind fünf Tage lang auf einem manö­vrier­un­fä­hi­gen Schiff ohne funk­tio­nie­ren­de Toi­let­ten, Kli­ma­an­la­ge oder war­mes Essen gefan­gen. Schwar­ze Abwäs­ser tre­ten in Kabi­nen aus, Lebens­mit­tel ver­der­ben. Men­schen schla­fen in pro­vi­so­ri­schen Zel­ten auf dem Ober­deck. Das media­le Echo ist gewal­tig. Schnell kur­siert ein Begriff, der der Kata­stro­phe ihren Spitz­na­men ver­leiht: „Poop Crui­se“ – was so viel wie „Kack Kreuz­fahrt“ bedeu­tet.

Wie rote Beutel zum Begriff „Poop Cruise“ führen

Der Aus­druck ent­stand in Anspie­lung auf die dra­ma­tisch unzu­rei­chen­den sani­tä­ren Ver­hält­nis­se an Bord. Ohne funk­tio­nie­ren­des Abwas­ser­sys­tem muss­ten Pas­sa­gie­re für ihre Not­durft auf impro­vi­sier­te Lösun­gen zurück­grei­fen.

Beson­ders das soge­nann­te „gro­ße Geschäft“ wur­de zum Sym­bol der Zustän­de. Die Crew ver­teil­te rote Plas­tik­tü­ten, die in den Kabi­nen ver­wen­det wer­den soll­ten, teils in Dusch­ka­bi­nen oder mit Hand­tü­chern abge­schirm­ten Ecken. Die­se impro­vi­sier­ten „Toi­let­ten“ muss­ten die Gäs­te dann selbst in mit Laken ver­klei­de­ten Eimern oder Müll­con­tai­nern ent­sor­gen. Die­se stan­den an fest­ge­leg­ten Stel­len auf den Gän­gen. Die Situa­ti­on wur­de noch dadurch ver­schärft, dass Abwäs­ser aus Toi­let­ten in Kabi­nen und Flu­re zurück­dran­gen – der üble Geruch brei­te­te sich über das gan­ze Schiff aus.

Die­se extrem unhy­gie­ni­schen Zustän­de wur­den von Medi­en und Pas­sa­gie­ren glei­cher­ma­ßen auf­ge­grif­fen. Sie wur­den mit dem wenig schmei­chel­haf­ten Begriff „Poop Crui­se“ belegt. Eine Bezeich­nung, die seit­her welt­weit mit dem Vor­fall asso­zi­iert wird und durch die Net­flix-Doku­men­ta­ti­on nun erneut ins öffent­li­che Bewusst­sein rückt.

Die Doku schil­dert den Vor­fall anhand von Ori­gi­nal­auf­nah­men und Aus­sa­gen ehe­ma­li­ger Pas­sa­gie­re und Crew­mit­glie­der. Dabei geht es nicht nur um das mensch­li­che Dra­ma, son­dern auch um struk­tu­rel­le Män­gel bei Sicher­heit, Kom­mu­ni­ka­ti­on und Not­fall­ma­nage­ment. Die­se Män­gel mach­ten das Aus­maß der Kri­se erst mög­lich.

Szene aus
Sze­ne aus „Train­w­reck: Poop Crui­se“; Pas­sa­gie­re haben ihre Matrat­zen nach drau­ßen gelegt, um den üblen Gerü­chen an Bord zu ent­ge­hen. Foto: © Cour­te­sy of Net­flix / 2025 Net­flix, Inc.

Folge der Katastrophe: Die „Cruise Passenger Bill of Rights“

Nur weni­ge Wochen nach dem Vor­fall for­der­te Sena­tor Charles Schu­mer (Demo­kra­ti­sche Par­tei) die Kreuz­fahrt­bran­che auf, frei­wil­lig einen Rechts­ka­ta­log zu ver­ab­schie­den: „Kreuz­fahrt­schif­fe, die größ­ten­teils außer­halb der Gren­zen der US-Gesetz­ge­bung ope­rie­ren, sind zum Wil­den Wes­ten der Rei­se­bran­che gewor­den. Es ist an der Zeit, ihnen Ein­halt zu gebie­ten, bevor noch jemand zu Scha­den kommt“, erklär­te Schu­mer damals, im März 2013.

Noch im sel­ben Jahr ver­ab­schie­de­te der inter­na­tio­na­le Kreuz­fahrt­ver­band CLIA die soge­nann­te „Crui­se Pas­sen­ger Bill of Rights“.

Die­se Char­ta sichert Pas­sa­gie­ren bei Not­fäl­len grund­le­gen­de Rech­te zu. Dazu zählt etwa das Recht, ein im Hafen lie­gen­des Schiff zu ver­las­sen, wenn wesent­li­che Dienst­leis­tun­gen wie Nah­rung, Was­ser, sani­tä­re Ver­sor­gung oder medi­zi­ni­sche Betreu­ung nicht gewähr­leis­tet sind. Auch die Rück­erstat­tung des Rei­se­prei­ses bei schwe­ren tech­ni­schen Defek­ten ist in der Char­ta gere­gelt. Das Vor­han­den­sein eines Not­strom­sys­tems bei Aus­fall der Haupt­ge­nera­to­ren sowie die Pflicht zur zeit­na­hen Infor­ma­ti­on über erheb­li­che Ände­run­gen der Rei­se­rou­te sind eben­falls ent­hal­ten. Die­se Rech­te gel­ten für alle Ree­de­rei­en, die der CLIA ange­schlos­sen sind. Sie gel­ten also für die über­wie­gen­de Mehr­heit der welt­weit täti­gen Kreuz­fahrt­an­bie­ter.

Europäische Passagierrechte: Gesetzlich geregelt statt freiwillig

Ein direk­tes euro­päi­sches oder deut­sches Pen­dant zu die­ser Pas­sa­gier­char­ta gibt es nicht. Den­noch sind Kreuz­fahrt­gäs­te in Euro­pa durch die EU-Pau­schal­rei­se­richt­li­nie 2015/2302 und deren natio­na­le Umset­zung in Deutsch­land umfang­reich geschützt. Die Richt­li­nie ver­pflich­tet Rei­se­ver­an­stal­ter – und damit auch Kreuz­fahrt­an­bie­ter – zu einer Viel­zahl an Garan­tien. Das schließt Rück­erstat­tung oder Ersatz­leis­tun­gen bei erheb­li­chen Män­geln ein. Dazu zäh­len auch die Unter­stüt­zung bei Rück­be­för­de­rung bei Rei­se­ab­bruch und auf Scha­den­er­satz bei Nicht­er­fül­lung ver­trag­lich ver­ein­bar­ter Leis­tun­gen.

Anders als bei der frei­wil­li­gen CLIA-Char­ta han­delt es sich hier um ver­bind­li­che gesetz­li­che Rege­lun­gen. Die­se sind ver­an­kert im Bür­ger­li­chen Gesetz­buch (BGB, §§ 651a ff.).

Aus „Carnival Triumph“ wird „Carnival Sunrise“ – und die fährt heute noch

Auch für die Car­ni­val Tri­umph selbst hat­te der Vor­fall lang­fris­ti­ge Fol­gen. 2019 wur­de das Schiff nach einer umfas­sen­den Moder­ni­sie­rung für rund 200 Mil­lio­nen US-Dol­lar unter dem neu­en Namen „Car­ni­val Sun­ri­se“ wie­der in Dienst gestellt. Neben tech­ni­schen Nach­rüs­tun­gen erhielt das Schiff auch neue Restau­rants, Bars und Unter­hal­tungs­mög­lich­kei­ten. Heu­te ist die Car­ni­val Sun­ri­se im regu­lä­ren Dienst von Car­ni­val Crui­se Line. Es ist haupt­säch­lich auf Rou­ten in der Kari­bik unter­wegs.

Nach dem „Poop Cruise“-Desaster haben vie­le Ree­de­rei­en, ins­be­son­de­re Mit­glie­der der CLIA (Crui­se Lines Inter­na­tio­nal Asso­cia­ti­on), mas­siv in tech­ni­sche Red­un­dan­zen inves­tiert. Neue oder moder­ni­sier­te Schif­fe ver­fü­gen heu­te über mehr­fach abge­si­cher­te Gene­ra­to­ren. Die­se kön­nen selbst bei Aus­fall der Haupt­en­er­gie­ver­sor­gung kri­ti­sche Sys­te­me wie Toi­let­ten, Frisch­was­ser­ver­sor­gung und Kom­mu­ni­ka­ti­on auf­recht­erhal­ten.

Kann sich ein solcher Vorfall wiederholen?

Der Ursprung des Strom­aus­falls war ein Brand im Maschi­nen­raum der Car­ni­val Tri­umph. Heu­te gel­ten stren­ge­re Vor­schrif­ten zur räum­li­chen Tren­nung wich­ti­ger tech­ni­scher Berei­che. Sys­te­me zur früh­zei­ti­gen Erken­nung von Aus­fäl­len und schnel­len Umschal­tung auf Not­strom­krei­se sind heu­te bran­chen­weit Stan­dard.
Ein Kom­plett­aus­fall, bei dem tage­lang weder Sani­tär­ver­sor­gung noch Kom­mu­ni­ka­ti­on funk­tio­niert, gilt tech­nisch als weit­ge­hend aus­ge­schlos­sen – zumin­dest auf gro­ßen, moder­nen Kreuz­fahrt­schif­fen.

Ein Rest­ri­si­ko lässt sich trotz aller Stan­dards nicht zu 100 % aus­schlie­ßen – beson­ders bei älte­ren oder klei­ne­ren Schif­fen. Natur­er­eig­nis­se oder unvor­her­seh­ba­re Ket­ten­re­ak­tio­nen kön­nen auch moder­ne Tech­nik aus­he­beln – etwa bei Kol­li­sio­nen, Strom­aus­fäl­len im Hafen oder extre­men Wet­ter­la­gen. In abge­le­ge­nen Regio­nen (z. B. Ama­zo­nas oder abge­le­ge­ne Pazi­fik­in­seln) kann auch heu­te eine Eva­ku­ie­rung oder Repa­ra­tur tage­lang dau­ern.

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